Die Coronavirus-Pandemie hat auch die Kommunikationsbranche vor ungeahnte Herausforderungen gestellt und viele Pläne kurzfristig über den Haufen geworfen. Unter anderem wurden zahlreiche, bereits fertig geplante Pressekonferenzen gecancelt oder auf ein undefiniertes „Später“ verschoben. Nachdem aber dann Woche um Woche ins Land zog und nicht absehbar war, wann wieder eine „normale“ Pressekonferenz veranstaltet werden kann, kam eine Alternative ins Spiel: die virtuelle Pressekonferenz.

Auch wir forcierten längst andere Formate der Medienarbeit, hatten diese innovative Spielart im Portfolio und schlugen die klassische Pressekonferenz nur mehr bei wirklich passenden Anlässen vor. Das Format war also nicht neu, und einige Unternehmen und Institutionen hatten damit schon gearbeitet. Aber wirklich etabliert war diese Form der Medienarbeit nicht. Erst die Coronavirus-Krise entwickelte – wie in so vielen Bereichen – den nötigen Nachdruck.

Die ersten virtuellen Pressetermine wurden angesetzt. Findige Anbieter schufen technische Lösungen. Und die Bundesregierung machte mit ihren eigenen Pressekonferenzen das Format salonfähig.

Doch wurde damit tatsächlich aus der Not eine Tugend? Wir haben unsere ersten Erfahrungen gemacht, und können die Frage mit Ja beantworten.

Was versteht man darunter?

Eine virtuelle Pressekonferenz wird (in der Regel live) über Online-Kanäle übertragen und aufgezeichnet. Journalist*innen wählen sich über einen Link ein und können die Präsentation verfolgen, ohne vor Ort zu sein. Streng genommen gibt es dabei noch zwei Varianten: virtuelle Pressekonferenzen, die (z.B. in der derzeitigen Ausnahmesituation) ohne jegliches Publikum stattfinden, sowie Pressetermine, die für nahe gelegene Medien in klassischer Form organisiert und nur für  auswärtige Zuseher*innen zusätzlich übertragen werden.

Die Pluspunkte

  • Eine virtuelle Pressekonferenz eignet sich perfekt, um selbst in Zeiten von Abstandsregeln und Veranstaltungsverboten komplexere Inhalte den interessierten Medien nahezubringen.
  • Sie ist aber auch das Mittel der Wahl, wenn man zusätzlich zu vor Ort erreichbaren Redaktionen auch Medien in anderen Bundesländern oder im Ausland ansprechen will.
  • Sie ist unkompliziert konsumierbar, denn viel beschäftigte Journalist*innen sparen sich An- und Abreise und können den Stream vielleicht sogar neben einer anderen Recherche mitverfolgen.
  • Somit ist die Zahl der Teilnehmer*innen tendenziell deutlich höher als bei Präsenz-Pressekonferenzen.
  • Man erhält als Bonus einen Mitschnitt der Pressekonferenz, der auch für andere Zwecke verwendet werden kann, etwa als professionelles Ton- und Bildmaterial für elektronische Medien (vorausgesetzt die Aufnahme erfolgt fachmännisch).
  • So kann man damit etwa auch gleich interne Zielgruppen auf den letzten Stand bringen.
  • Und man kann das Video zum Nachschauen auf der Website implementieren und somit zusätzlichen Service bieten.

Die Minuspunkte

  • Als Wermutstropfen sind ohne Zweifel die höheren Kosten zu nennen, die durch das technische Equipment und die Betreuung durch erfahrene Kamera- und Bildregie-Leute entstehen. Sie sind nur zu vermeiden, wenn man eine „handgestrickte Version“ mit Skype oder einem Webkonferenz-Anbieter realisiert.
  • Weiters hat man meist keinen vollständigen Überblick über teilnehmende Personen und Redaktionen.  Üblicherweise wird ein Link ohne verpflichtende Registrierung zur Verfügung gestellt. Das gewährleistet einen niederschwelligen Zugang und hohe Zugriffszahlen. Aber man erfährt nicht, wer sich wirklich eingewählt hat, es sei denn die Frage wird mit einer Namensnennung verbunden.
  • Und nicht zuletzt leidet die Pflege der persönlichen Kontakte. Die virtuelle Pressekonferenz ist für die Veranstalter doch eine anonyme Sache.

Worauf gilt es zu achten?

  • Eine gute technische Lösung ist das A und O der virtuellen Pressekonferenz. Wenn die Übertragung nicht klappt, sind die Teilnehmer*innen schneller weg als man „wir bemühen uns“ sagen kann. Deshalb gilt es genau zu überlegen, ob man die Pressekonferenz selbst als Webinar, Skype- oder Webkonferenz organisiert oder einen externen Anbieter wie etwa das APA Pressezentrum beauftragt. Grundsätzlich raten wir zu Variante 2, weil damit eine echte Bildregie (mit durchdachten Wechseln zwischen Sprecher*innen und Präsentation) gesichert ist, ebenso wie ein professionelles Ton- und Bildmaterial für elektronische Medien und eine funktionierende Chatfunktion für Fragen seitens der Medien. Aber: Für kleinere Hintergrund- oder Round-Table-Gespräche kann die Variante 1 durchaus ausreichend sein.
  • Zweiter wichtiger Punkt: Selbst erfahrene Sprecher*innen sind es nicht gewöhnt, über längere Zeit ausschließlich in eine Kamera zu reden und kein Gegenüber vor sich zu haben. Es empfiehlt sich daher, genau das zu trainieren und vor Ort einen „Ankerpunkt“ (also z.B. eine Vertrauensperson hinter der Kamera) zu postieren.
  • Fragen seitens der Medien sollten von der Moderation stellvertretend und für alle hörbar gestellt werden, um so Transparenz zu wahren. Und es sollten keine Fragen gestrichen oder umformuliert werden.
  • Meistens ist es nötig, dass Unterlagen bereitgestellt werden, darum muss eine Lösung für einen PDF-Download gefunden werden. Oder man sendet die elektronische Pressemappe vorab an alle Eingeladenen aus.
  • Und man muss entscheiden, ob möglichst viele oder nur ausgewählte teilnehmen dürfen. Wenn es um heikle Inhalte geht und man Kontrolle behalten möchte, mit wem man kommuniziert, wird man an einer Variante mit Registrierung nicht vorbeikommen.

Unser Fazit

Eine virtuelle Pressekonferenz ist definitiv mehr als eine Notlösung. Ich bin überzeugt, dass sie sich als Teil des Medienarbeit-Portfolios nachhaltig etablieren wird. Um noch mehr Interessierte zu erreichen – und möglicherweise als Gegenstück zu den gleichzeitig immer wichtigeren Einzelgesprächen.